Wasser-Klänge als unterstützende Selbsthilfe bei chronischem Tinnitus

Wassergeräusche„Meiden Sie die Stille“ ist ein Ratschlag, den chronische Tinnitus-Patienten, also solche mit anhaltenden Ohrgeräuschen, häufig von Ohrenärzten hören und der doch hilflos macht. Denn fast jeder Mensch hat ein natürliches Bedürfnis nach Stille als Quelle der Regeneration und der seelischen Gesundheit. Wenn sich ein stark ausgeprägter Innenohr-Tinnitus einmal chronifiziert hat, scheint aber die Stille für lange Zeit verloren. Mit diesem Artikel diskutiere ich nicht Behandlungsstrategien und deren Erfolgsaussichten. Noch weniger kann diese Website audiologische Diagnostik, medizinischen Rat und fachkundige Behandlung ersetzen, gleich ob schulmedizinisch, homöopathisch, musiktherapeutisch oder mit speziellem Hörtraining. Bei allen akut auftretenden Ohrgeräuschen oder Hörverlusten sind !SOFORTIGE! Stress-Entlastung und Behandlung unabdingbar. Die Prognose ist dann sehr viel besser, als wenn sich der Zustand erst einmal festsetzt. Ich liefere hier nur einen Beitrag für Bewältigungsstrategien im Falle von anhaltenden Problemen. Selbsthilfe ist gut, wenn man ihre Grenzen kennt.

Die Stille hinter allem Lärm – ja, es gibt sie! Doch nicht jeder von uns ist ein Zen-Meister, der sich am Rande einer Großstadt-Straßenkreuzung auf den Gehsteig setzt und in die tiefste Meditation versenkt. Und etwas ist dann ja doch richtig an dem etwas dummen Ratschlag „Meiden Sie die Stille“. Denn in der Abwesenheit von Hör-Eindrücken bleibt die Aufmerksamkeit gefangen in den Geräuschen, die unser Körper, so jedenfalls bei den häufigsten Tinnitus-Formen, irgendwo zwischen den Sinneszellen im Innenohr und der Hörrinde im Großhirn produziert. Als gleichbleibender Dauerton ist ein solcher Tinnitus viel belastender als das Gemisch alltäglicher Umgebungsgeräusche. Vor allem nachts, wenn wir Ruhe suchen und brauchen, dringen Ohrgeräusche stark in das Bewusstsein und können auch den Schlaf empfindlich stören. Starke Dauertöne belasten ganz ähnlich wie chronische Schmerzen und setzen sich im Gehirn entsprechend dem sogenannten Schmerzgedächtnis fest. Hier setzen auch musiktherapeutische Verfahren an.

Baches RauschenZugänglicher als die Stille hinter dem Lärm einer Straßenkreuzung in der City ist die Stille hinter Naturgeräuschen. In der Natur und bei den Klängen von Wind und Wasser, vielleicht auch bei einem prasselndes Feuer weiten und entspannen sich Geist und Seele. Wir fühlen: Stille ist mehr und hat andere Qualitäten als die bloße Abwesenheit von Geräuschen. Mit einfachem Gerät aufgenommene Naturgeräusche, nachts oder in Ruhephasen abgespielt, können Tinnitus-Geplagten helfen, zur inneren Ruhe zu finden und gegebenenfalls auch besser zu schlafen. Es geht keinesfalls darum, Ohrgeräusche zu übertönen, sondern der Aufmerksamkeit einen anderen Fokus anzubieten. Daher können die Naturgeräusche durchaus leise abgespielt werden. Es funktioniert nur, wenn dieser andere auditive Aufmerksamkeits-Fokus dann auch angenommen wird, im Sinne einer entspannten meditativen Eigenaktivität, wenn das Geräusch dazu einlädt und persönlich geeignet ist. Möglich wäre das auch mit Musik. Der Unterschied ist: Musik bespielt unseren Geist mit dem, was Komponisten oder Musiker bewegte, und vielleicht wollen wir das lieber bewusst und nicht das siebenundzwanzigste Mal im Halbschlaf hören. Naturgeräusche hingegen lassen den Geist frei und belegen ihn mit keiner festlegenden Botschaft. Mutter Natur freut sich über jeden Dank und fordert nicht einmal Urheber-Tantiemen. Besonders zum Entspannen geeignet sind die sich stetig wandelnd gleichbleibenden Klänge von Wasser. Vielleicht nicht das Tosen eines Bergbachs und keine wilde Meeresbrandung, sondern eher ein ruhig dahinplätscherndes, kleines, quellnahes Gewässer. Mögliche Nebeneffekte auf die Blasenfunktion darf ein jeder selbst verantworten :-), aber dies hat das Gehirn meistens schnell gelernt.

Zur therapeutischen Optimierung bei tonalem Tinnitus (feststehende Frequenz) gibt es zwei konträre Ansätze: entweder wird der betroffene Frequenzbereich reduziert und benachbarte Frequenzen verstärkt (nur mit spezieller Software möglich), oder es wird genau der Tinnitus-Ton eingespielt. Paradoxerweise funktioniert in geeigneten Fällen auch Letzteres, und Tonaufnahmen lassen sich dafür schon mit einer Freeware wie Audacity bearbeiten.

Im Idealfall finden Sie ihr Lieblingsgewässer und machen sich eigene Aufnahmen. Hier zwei Aufnahmen von Wasser-Klängen aus dem Odenwald (Download Zip-Datei, 32 MB) zum Experimentieren als Tinnitus-Selbsthilfe, zur freien nicht-kommerziellen Verwendung.

C.C., Dez. 2015