ars curandi Homöopathie auf Facebook

Winter

Warum Kraken keine Kuscheltiere sind und Fang-mich-Doch in der Virtualität des Daseins.

Richtig: ars curandi Homöopathie ist seit 3 Tagen auch auf Facebook präsent.

Nicht vergessen werde ich den kürzlichen Einstieg in diese Eigenwelt: nur registrieren wollte ich mich und hatte schon, völlig ungefragt, eine persönliche Facebook-Seite. Ich beantragte Löschung, und da ich in Mails ohnehin öfters mit „Herr Curandi“ angesprochen werde (ars curandi bedeutet Heilkunst), tätigte ich einen neuen Eintrag „ars curandi Homöopathieinstitut“. Mit etwas Suche entdeckte ich eine Anleitung, wie ich aus dem zunächst ebenso privaten Eintrag einen Firmeneintrag generieren kann. Ersteren, die so genannte „Profilseite„, nehme ich inzwischen wörtlich und stelle in lockerer Folge „Profilbilder“ ein. In nur zwei Tagen waren das drei Umzüge, ganz ohne Kartonschleppen! Dabei hätten für die Kartons schon ab Tag 1 fast 100 neue Freundinnen und Freunde, Fans und Likes bereit gestanden, die mir selbstverständlich alle geholfen hätten (…rein vorsichtshalber bleib‘ ich hier beim Konjunktiv, der virtuellen Beugeform mit Haftungsausschluss für Rückenschäden.).

StromversorgungIch sehe und erlebe die Zwiespältigkeit, das ist nicht neu und wird durch keine Gewöhnung weniger: Kommerzielle Datenkrake, digitaler Striptease, eine Offenlegung des Privatesten, von der die Stasi nur hätte träumen können, und in allem ein fortschreitendes Entgleiten in eine künstlich-virtuelle Scheinwelt, die immer weiter das ganz persönliche Leben eines jeden durchdringt, uns infiltriert, uns auf immer mehr Ebenen abhängig macht. Auf der anderen Seite unterliege ich diesen Dynamiken als Smartphone-Verweigerer, der ich weiterhin bin, nicht weniger; kein Exodus in die digitale Wüste kann mich schützen vor den Algorithmen, die unser Finanzsystem takten, und um einen Kleinstbetrieb wie ars curandi Homöopathie heute ohne EDV zu führen, bräuchte ich Hilfskräfte jenseits aller Bezahlbarkeit. Ganz unbefangen nutze ich den Klapprechner im Sommerhalbjahr für Büroarbeiten draußen in schöner Umgebung, ein früher kaum denkbarer Luxus. Kein Zweifel, wir sind schon mitten drin in der Krake, im Leibe eines Monsters, das sein weltumspannendes elektronisches Nervensystem in alle unsere Synapsen und Lebensgrundlagen hinein erstreckt. Wir nutzen durchaus die annehmlichen Seiten, und wenn die Menschheitsentwicklung keine unvermutet ganz andere Kurve — gar rettende Wendung?? — nimmt, werden wir unseren ungläubig staunenden Enkeln zwitschern oder twittern, wie sich die Erde einstmals „ohne“ drehte. Wer im sozialen und auch im geschäftlichen Leben präsent sein will, der mag Fakebook, Zwitter, Wotsäpp, Linksding und was es noch so gibt buchstabieren, wie er möchte. Weiterhin freue ich mich über handgeschriebene Briefe, Echtwelt-Begegnungen und ‚leibhaftige‘ Freunde. Wer etablierte Infrastrukturen dauerhaft meidet, der könnte auf andere Weise ähnlich lebensarm und einsam werden wie jene, die dem virtuellem Sog ohne viel Eigenbewusstsein unterliegen. Entscheidend gegenüber düsteren Visionen und Wirklichkeiten ist weiterhin der freie Geist, den wir einbringen, ist persönlicher Mut, Herzenswärme, Kreativität und das Vertrauen, dass diese Kräfte die stärkeren sind, wann immer Handeln und Bewusstsein übereinstimmen. Und sei dies inmitten des Bauches der Krake. Und gerade dort! Wandeln können wir uns selbst wie auch Systeme nur von innen. Solange wir schlafen, ist freilich die Krake mit ihren Eigendynamiken stärker.

gewissenSo folgte ich endlich dem, was ich gerade erst postmodernes Gewissen nannte, und legte eine Facebook-Seite an für ars curandi Homöopathieinstitut: 

Dort finden Sie spontane Würfe, Momentaufnahmen und Fundstellen, die wir gerne teilen. Beiträge mit etwas mehr Reflexionstiefe, dann auch anspruchsvoller zu lesen finden Sie weiterhin auf unserem Blog „Aktuelles“:

zuse12Natürlich freue mich über eine jede Empfehlung durch eure Facebook-Seiten. Das vermindert nicht meine Freude am Reichtum weniger artifizieller Lebenswelten, in allen Schwingungen zwischen Geist und Materie, zwischen Ich und Du und Wir und Es, zwischen Geheimnis und Erscheinendem. Über das Licht von Morgensonne und nächtlichen Sternen, den Geruch der Erde bevor der Frühling hervorbricht, das Streicheln des Windes im Gesicht voller Botschaften, den stillen Spiegel eines versteckten Tümpels, das wie ferne singende Rauschen der Föhren, die unnütze Knorrigkeit einer vergessenen Eiche, über Gespräche die Freiraum zum Entdecken lassen, frei gelingendes Zusammenspiel mit Menschen im Tun und über manche gute Freundschaft freue ich mich weiterhin.

Viele Grüße,
Carl Classen

Quelle