Skeptiker und Skeptizisten, die Homöopathie und die Medien

Skeptiker sind Menschen — oder sollten dies sein — die Fragen richtig stellen und nicht jedem Anschein glauben. Skeptiker im philosophischen Sinne ist jemand, der gewillt und in der Lage ist, seine eigene Weltsicht und den eigenen Standort als etwas Vorläufiges zu verstehen und stets zu hinterfragen.

Die Kunst der Frage nach Ausgangspunkt und Bedingtheit eigener Erkenntnis zählt zu den Grundvoraussetzungen guter Wissenschaft!

Eichel

Anders die so genannte Skeptiker-Bewegung. Die Auftritte der in Vereinen und weltweiten Netzwerken organisierten Skeptiker, eigentlich wären sie als Skeptizisten zu bezeichnen, haben starke Züge einer ideologischen Weltanschauungsgemeinschaft. Mit einem hohen moralischen Anspruch positionieren sie sich für rationales Denken, für ein naturwissenschaftlich begründetes Weltbild und gegen den gefährlichen Aberglauben, eine Art „Aufklärung 2.0“. Aussteiger berichten allerdings von fundamentalistischen Strukturen und eher geringen wissenschaftlichen Ansprüchen. Homöopathie, Akupunktur, Anthroposophie und manche anspruchsvollere Therapieform und Philosophie werden abgetan mit Kampfbegriffen, wie Pseudo- oder Para-Wissenschaft und Para-Medizin. Früher hatte man sich gegen Ufos, Außerirdische und jegliche Religion gewendet, erreichte damit aber nur geringe Aufmerksamkeit. Die eigentliche Zielrichtung ist nicht weniger als eine Deutungshoheit über „richtiges Denken“. Dafür gibt es sogar einen eigenen Verein im Netzwerk, die „Good Thinking Society“.

Emu

Genauer gesagt, geht es um die Kontrolle dessen, was man dort eben unter „richtigem Denken“ verstehen möchte — unter Ablehnung jeglicher philosophischer und spiritueller Elemente. Das eigentliche menschliche Subjekt, das unbefangene Staunen oder ein lauschendes Ahnen größerer Zusammenhänge von Mensch und Kosmos, die vielleicht erst durch ein anderes Forschen zugänglich werden, kommen in dieser Weltanschauung nicht mehr vor.

Was dann aber pseudo-skeptisch durch die Medien geht, trägt die Handschrift professioneller Agenturarbeit.

betreutes Denken

Die Homöopathie-Kritik ist für die Skeptizisten eher nur ein Mittel zum Zweck: Die Homöopathie ist beliebt, und für ihre Kritik findet man leicht mächtige Sponsoren, die gerne auch von eigenen Problemen ablenken. Mediale Aufmerksamkeit, die sich letztlich an das gute Image der Homöopathie heftet, ist mit ihr leichter zu erreichen als mit großen Plakaten, dass es keine Ufos gäbe und auch kein Rumpelstilzchen (… oder doch??) sowie „wahrscheinlich keinen Gott“ (Kampagnen-Titel 2008/2009). Zudem fordert gerade die Homöopathie, heute wie schon vor 200 Jahren, ein naiv-materialistisches Weltbild besonders anschaulich heraus. So geht es damals wie heute nach dem Motto: was nicht sein darf, das kann nicht sein. Wissenschaftliche Studien, die eine über so genannte Placebo-Effekte hinausgehende Wirksamkeit der Homöopathie belegen, werden totgeschwiegen oder aber systematisch schlecht geredet. Die bloße Wiederholung der Behauptung, es gäbe keine guten Studien, die für die Homöopathie sprechen, macht diese Aussage nicht wahrer.

skepsis?

Derweil sind interessanterweise die wenigsten dieser Homöopathie-Kritiker-Szene Mediziner. Die Handvoll verfügbarer Mediziner wird umso eifriger positioniert. So eine Heidelberger Ärztin, die sich einige Jahre lang nicht allzu tiefgründig mit der Homöopathie beschäftigte und sogar homöopathisch praktizierte, dann aber auf Distanz ging: In den Medien und in Talkshows wird sie, mit nunmehr potenziertem Sendungsbewusstsein, gerne als Kronzeugin wider die Homöopathie herumgereicht. Dem gegenüber steht eine vielfach höhere Anzahl qualifizierter Naturwissenschaftler, die sich beruflich neu zur Homöopathie hin orientierten. Unter denen, die ich persönlich kenne, sind auffallend viele Physiker … wie beispielsweise Markus Dankesreiter, der die besagte Konversions-Story unter www.in-zukunft-homoeopathie.de aus seiner Sicht beleuchtet. Die Physiker haben eigentlich die geringsten wissenschaftlichen „Probleme“ mit der Homöopathie.

Spiegelung

 

Die Aufgabe der Homöopathie ist das Heilen, nicht die Erklärung des „Warum“. Eigentlich eher nebenbei weist sie uns sanft darauf hin, dass ein tieferes Verständnis von Lebensvorgängen vielleicht noch anderer Blicke bedarf, als sie in den heutigen Naturwissenschaften üblich sind. Das geht ganz ohne „Vereine für betreutes Denken“.

Heilen

Was aber den praktischen Alltag von Ärzten und Heilpraktikern, Homöopathen und Schulmedizinern anbelangt, so sehe ich viel konstruktives Miteinander. Auch durch das Bewusstsein der jeweils eigenen Grenzen: Ein schulmedizinischer Allgemeinarzt weiß genauso wie ein Homöopath, dass er nicht „alles“ kann. Erfahrung macht realistisch und bescheiden. Ideologische Verbohrtheit der einen oder der anderen Seite kommt sicher auch vor. Sie ist aber, wenngleich für die Medien interessanter, das deutlich Seltenere.

Gespräch

Was aber nützt uns die Skepsis? Philosophische Skepsis ist mentale Hygiene. Die hohe Kunst der Frage gehört zum Handwerk und es kann sehr hilfreich sein, die Ausgangspunkte eigener Erkenntnis skeptisch zu reflektieren. Dazu müssen wir gar nicht erst auf den pseudo-esoterischen Narrensaum der Homöopathie schauen. Doch wenn ich den quietschbunten Jahrmarkt sehe, denke ich einmal mehr: Ein Quentchen Skepsis im philosophischen Sinne hat noch keinem von uns geschadet.

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C.C., 2016

Weblinks zu Hintergründen der Skeptiker-Bewegung

 

skeptischer Esel

Antworten auf eine frühere Spiegel-Veröffentlichung

… schon ein Weilchen her, doch inhaltlich weiterhin passend. Nichts wirklich Neues von dort her.

Eselin