Jede politische Partei erfährt heute interessengelenkte Beeinflussung und sollte mit dieser Problematik einen bewussten Umgang pflegen. Und in jeder Partei treffe ich auch mehr oder weniger integre Menschen an. Zumindest in denjenigen Vereinigungen, die sich glaubhaft Grundwerten verpflichtet haben wie dem Schutz der Menschenwürde. Der Würde und der Freiheit, die bekanntlich immer auch die des anderen ist. Doch auch gut wollende Menschen sind nicht gegen jede Einflussnahme immun. Politiker-Bashing führt freilich nicht weiter und öffnet die Türen zu Schlimmerem.
Was derzeit aber in einer ganz bestimmten Partei geschieht, gefährdet die Möglichkeit, als Patient künftig überhaupt noch qualitätsgesicherte homöopathische Arzneimittel und entsprechende Behandler finden zu können. Wir sollen ausgetrocknet werden. Es ist bemerkenswert, dass derzeit ausgerechnet bei den „Grünen“ ein solcher Vorstoß abgewehrt werden muss. Wir brauchen diesen schiefen Glaubenskrieg nicht. Wir wollen medizinischen Pluralismus und Respekt vor den freien Entscheidungen mündiger Patientinnen und Patienten!
Was passiert da gerade?
Teile der Grünen Partei werden derzeit von Wissenschafts-Fundamentalisten instrumentaliert, die eine angebliche „Bevorteilung der Homöopathie“ beenden — in Wahrheit aber Homöopathie, anthroposophische Medizin und den größten Teil der Naturheilkunde ganz aus unserem Gesundheitssystem herausschaffen wollen. Die Aktivisten im Hintergrund bearbeiten alle Parteien. Die SPD kippte im Bundesland Bremen bereits die ärztliche Zusatzbezeichnung Homöopathie und plant in anderen Bundesländern Ähnliches. Wenn aber die einstige „Öko-Partei“ plötzlich gegen die Homöopathie steht, fällt auch der gesellschaftliche Konsens der Toleranz.
Am 15.-17. Nov. wird die Grüne Partei auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz darüber entscheiden, ob sie einem entsprechenden Antrag ihrer Jugendorganisation „Grüne Jugend“, Antrag V-01, zustimmen wird. Unter https://antraege.gruene.de/44bdk (weit nach unten scrollen) sind inzwischen auch Anträge für eine integrierende Medizin zu finden, heißt für ein gutes Miteinander von konventioneller und alternativer/komplementärer Medizin: V-04, V-19 und V-44, sowie für freie Impf-Entscheidungen: V-15 und V-43. Gegner versuchen, diese Anträge durch Ergänzungsanträge in ihr Gegenteil zu verkehren.
Etwas Hintergrund …
Seit vielen Jahren beeinflussen weltanschaulich motivierte Aktivisten unsere politischen Parteien mit Positionen, die über den Gesundheitsbereich hinausgedacht zu einer Expertokratie führen würden, die bisherige Grenzen zwischen Wissenschaft und Macht verwischt oder aufhebt. Im Gesundheitsbereich wird die Popularität der Homöopathie gerne genutzt, um Aufmerksamkeit zu generieren. Das Homöopathie-Bashing kommt wiederum mächtigen Sponsoren gelegen, die von nicht geringen eigenen Image-Problemen ablenken möchten. Die „Homöopathie-Lobby“, laut Medien ein Millionen-Geschäft, deren wirkliche Stärke eher an den unter einem Promille (1) liegenden, der derzeit durch die Homöopathie verursachten Ausgaben im Gesundheitssystem zu bemessen ist, kann da nicht ganz mithalten. David gegen Goliath.
An die Stelle wissenschaftlicher Erkenntnis als stetig fortschreitendem Prozess durch ergebnisoffene Forschung rückt bei besagten Aktivisten (organisatorische Basis: INH/GWUP, international: CSI und Brights) ein nur vermeintlich wissenschaftliches Weltbild, das gleichermaßen engstirnig ist wie das nur scheinbare Gegenteil: die unverhüllte Wissenschaftsfeindlichkeit. In einem merkwürdigen Stellvertreter-Krieg streiten nicht etwa Schulmediziner, sondern ideologisch motivierte Leute mit großem Aufwand gegen die Homöopathie und infiltrieren teilweise erfolgreich alle demokratischen Parteien. Ein Leckerbissen mit Symbolwert und Ausstrahlungskraft scheint wie gesagt die Grüne Partei. Die bekannten Aktivisten bemühen sich über die grüne Jugendorganisation einen „Patientenschutz“ in das Grundsatzprogramm zu bringen, der Patienten zunächst vor der Homöopathie, und, so in weiteren Ergänzungs-Anträgen, auch vor Heilpraktikern und vor Alternativmedizin überhaupt schützen soll.
Der neue (Anti?-)Humanismus
Am Beispiel der (sehr bald wohl nicht mehr) freien Impfentscheidung sehen wir, wie die Politik in vorauseilendem Gehorsam selbst über die Ratschläge der meisten impf-befürwortenden Experten und sogar des Robert-Koch-Institut RKI hinausschießt. Abgesehen von der medizinischen Kontroverse ist es ein bürgerrechtliches Desaster, dass in Gesundheitsfragen keine freie Einzelfall-Abwägung mehr möglich sein soll. Ein Desaster ist auch das Überschlagen moralischer Verurteilung, indem Befürworter freier Impf-Entscheidung — Impfkritiker und „Verweigerer“ ohnehin — zu verschwörungstheoretisch indoktrinierten Sozialschweinen abgestempelt werden, die andere gefährden.
Die weltanschauliche Basis zu diesen Entwicklungen liefert ein Neo- und Trans-Humanismus, der Aufklärung und Humanismus neu definieren will, jede Art von spirituellen Fragen und Ansätzen ins Märchenland verweist und eine vorwiegend technologisch-technokratische Lösbarkeit der Weltprobleme propagiert. Der universelle Gültigkeitsanspruch einer szientistischen Welterklärung greift in Bildung, Wirtschaft und Politik über und will letztlich alle Lebensbereiche dominieren. Manche vergleichen dies auch mit der Position der Kirche im Mittelalter, mit nunmehr umgedrehten Vorzeichen: Der naturalistische Nicht-Glauben ist eben auch ein Glauben.
Soweit reichen Reflexion und Bewusstsein der Anti-Homöopathie-Netzwerke eher nicht. Dort wird auch selten gefragt, woher das Geld für die (durch Kollegen nachgewiesene) fleißige Agentur- und Medien-Arbeit im Hintergrund kommt. Das mindert aber weder deren Wirkung noch deren Verantwortung.
Inhaltlich habe ich den Unfug der Hinter-den-Ohren Grünen bereits am 14. Sep. mit einem offenen Brief eingehend kommentiert.
C.C., 28.10.2019
(1) Der Anteil der Ausgaben der Krankenkassen für die Homöopathie liegt zwischen „0,03% Promille“ (Auskunft DZVhÄ) bis „deutlich unter 1 Promille“ (bei der eher homöopathie-freundlichen TK)