Pandemie der verlorenen Zwischentöne?

Schmal scheint der Grat zwischen „Corona-Leugner“ und „System-Schaf“. Wie der homöopathische Arzt Heinz Huber in einem eingehenden Interview des ZDF darlegte, erschwert es heute vor allem die Angst, ruhig abwägend einen vernünftigen Weg zu finden. Selbst wenn unterschiedliche Seiten eigentlich Gutes wollen. Da ist die Angst vor einer Pandemie. Und da ist Angst vor Entgleisungen unserer gesellschaftlichen Systeme. Beides hat ja Hintergründe, die sich ganz real anschauen lassen. Angst kann ein wichtiger Bote sein, ist aber ein sehr schlechter Ratgeber. Pandemische Angst verengt Wahrnehmungsfelder und freies Denken, das Stammhirn geht in Führung und das kennt nur schwarz und weiß. Die Grenze zu angemessener Vorsicht, Achtsamkeit und Respekt ist offenbar nicht immer ganz leicht zu finden.

Schafe

Was zählt? … und die versäumte Gesundheitsförderung

Die mantrenartig wiederholte Präsentation von Zahlen außer Kontext, wie bspw. die Anzahl der Neu-Infektionen ohne Berücksichtigung weiterer Zahlen wie etwa dem Anteil schwerer Fälle, scheint mir ebenso fahrlässig und irreführend wie die von Trump, Bolsenaro und Fan-Clubs inszenierte Sorglosigkeit. Ich gehe hier nicht in die Tiefe, hier nur ein kleiner und gar nicht evidenzbasierter persönlicher Eindruck: Bei der Rückkehr von einem Schweden-Urlaub Anfang September, noch vor dem jetzigen herbstlichen Anstieg der Zahlen, fiel mir im Kontrast die hier durchaus mehr angstgeprägte Atmosphäre auf. Der psychologische Effekt der Alltags-Maskierungen, als vergleichsweise schwächstem Teil des AHA-Konzeptes, wird wohl unterschätzt. In Schweden hingegen, die anfänglichen Fehler dort sind bekannt, achtet man mehr auf Abstand als hier.

Hinweise auf eine latente, unter bestimmten Gegebenheiten immer noch explosive Dynamik bleiben allerdings, bestätigen sich beim Blick in andere Länder (und nun im Oktober auch hier). Schon daher marschierte ich bei keiner „Hygiene-Demo“ mit. Einige werden mir „Gegenbeweise“ vorhalten, und bekanntlich gibt es andere Meinungen. Doch Zahlen und Experten beeindrucken mich nicht übermäßig, solange ich beidseits, bislang in jeder Rechnung, auch der Kritiker, zu viele Unbekannte sehe. Die Schwellen einer kollektiven Immunität sind durch Feiung durch viel höhere Dunkelziffern in der initialen Phase als bislang vermutet, zusätzlich womöglich aufgrund partieller Kreuz-Immunität durch andere Corona-Viren vielleicht gar nicht so sehr weit entfernt, sind aber grundsätzlich unbekannt. Wüssten wir dazu wirkliches Verlässliches, Antikörper-Studien alleine reichen dazu nicht (B- und T-Zellen Immunität ist langfristig wichtiger), dann wären die Forderung der Great-Barrington Declaration diskutabel, Risikogruppen zu schützen und sich im Übrigen zu entspannen: Denn alle Senioren und chronisch Kranken weitestgehend abzuschotten, zu isolieren (… oder gar ’sozialverträglich‘ zu dezimieren??) ist nicht nett, und auf dem Papier sehr viel eher als in Wirklichkeit „menschenwürdig“ zu realisieren. So aber erscheint dies verfrüht. Auch ohne Great Barrington (im übrigen ein rechter Think-Tank!) werden anfällige Personenkreise diesen Winter besonderen Schutz und nicht weniger Fürsorge brauchen. Das RKI wiederum veröffentlicht keine aktuellen Validierungsdaten zu den im Übrigen auch inkonsistent angewendeten PCR-Tests. Die Falsch-Positiv-Raten bezeichnet das RKI mit diffusen Verweisen, aber ohne eigentliche Belege sinngemäß als nicht „die Einschätzung der Lage nicht verfälschend“: solche eher erzieherische als wissenschaftliche Kommunikation nährt natürlich Kritik. Länder mit drastischen Maßnahmen (Belgien, Frankreich, Spanien…) schnitten selten besser ab, in Deutschland knickte der R-Wert vor und nicht nach Lockdown-Beginn, Zweitinfektionen stellen Impfstrategien in Frage. Die von Schrappe et al angenommene Falsch-Positiv-Rate von 5% der Gesamt-Tests scheint mir wiederum nicht kompatibel mit den niedrigsten gemessenen Werten von rund 0,8% in einigen Reiserückkehrer-Kollektiven — was aber auch an einer inkonsistenten Testpraxis liegen könnte. Ein falsch-positives „Grundrauschen“ von 0,8%, vielleicht sogar weniger, oder aber 5,0% macht schon einen gewaltigen Unterschied. Aber auch dem wenig esoterik-verdächtigen „Deutschen Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin“ fehlt die wissenschaftliche Basis und Verhältnismäßigkeit derzeitiger Maßnahmen. Aber wir sehen in den Praxen, neben sozialen und psychischen Folgen der aktuellen Situation, auch erste Langzeit-Folgen von Erkrankungen. Und da sind vorerkrankte Menschen, denen ich eine Infektion nicht zumuten wollte.

Auch 10 Monate nach Bekanntwerden der ersten Infektionen in Wuhan dürfen wir noch mit vielen offenen, teils unzureichend erforschten, teils aber ohnehin erst im Rückblick klärbaren Fragen leben. Umso mehr ließe sich auf allgemeine Gesunderhaltung als wesentlichen Pfeiler eines Gesamtkonzeptes setzen. Gesundheitsförderung kostet wenig und wirkt auch ohne Corona-Statistik. Präventiv kann sie bei vielen Beschwerden hilfreich sein, die als Risikofaktoren gelten, so auch bei diabetischer Stoffwechsellage, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gerade da haben naturgemäße Heilweisen einen guten Platz.


Homöopathie Forschung

Chancen weiterhin da

Können wir noch schmerzfrei wegschauen, was Mensch und Erde wirklich brauchen? Intensivlüften im Winter treibt den Energieverbrauch nach oben und wird womöglich mehr Erkältungen, inklusive Corona-Varianten, hervorbringen als verhindern. Da sind neue Berge von Plastik-Müll, und Menschen bewegen sich wieder vermehrt ‚individuell‘ in motorisierten Blechkapseln. Weltweit wird aufgerüstet wie noch nie. Die Ablenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit kommt manchen Autokraten gerade recht. Dabei steht vor aller Augen, dass die Gesundheit des Planeten Erde uns sehr bald, im Grunde jetzt schon vor existenzielle Herausforderungen in ganz anderer Dimension stellt — ökologisch und ökonomisch, sozial, politisch und auch gesundheitlich.

Positiv betrachtet, haben in den letzten Monaten viele Regierungen gezeigt, dass sie handlungsfähig sind und andere Werte als nur Wirtschaftswachstum hochhalten! Wann aber greift das für unsere Mensch-Erde-Gesamtsituation? ‚Angst‘ ließe sich ja vielleicht in (Für-)Sorge umwandeln: mich ’sorgen‘ da einige verschlafene und später kaum nachholbare Chancen. Eine Bewegung für Menschenwürde, Freiheit und Kultur mit der Natur ist längst im Gange. Sie darf nicht durch andere Interessen absorbiert werden.

Wie Leitmedien Vertrauen verspielen

Von dem eingangs genannten Interview mit Heinz Huber kam im Öffentlich-Rechtlichen dann weniger als eine Minute. Sinnverzerrend aus dem Zusammenhang geschnitten, und in einem Zuge mit dem Bericht zu Trumps Unsäglichkeiten, sendete das ZDF am 04.10.20 im Heute-Journal (Minute 21) Hubers Aussage, dass die Homöopathie bei Corona sinnvoll eingesetzt werden kann — so, als ob damit jede andere Medizin ersetzen sollte. Dabei hatte Herr Huber sich entschieden und wiederholt für das Miteinander mit der Schulmedizin ausgesprochen und sich ausdrücklich auf Patienten bezogen, die nach einer Diagnose erstmal ohne überhaupt irgendeine Behandlung nach Hause geschickt werden und sich erst wieder beim Arzt melden sollen, wenn die Atmung schwierig wird. Vorgestellt wurde er dann auch als „Impfskeptiker“, obwohl er auch hier wieder klargestellt hatte, nicht gegen Impfungen, sondern für das ärztliche Abwägen und freie Entscheidungen zu sprechen. Wir müssen hier gar nicht das inhaltliche Für und Wider diskutieren: Welches Vertrauen aber soll ich in Medien haben, die Interview-Partner als bloßes Menschenmaterial benutzen und diese ohne Achtung persönlicher Würde in entstellender Art und Weise vorführen? Und sich dann wundern, dass Menschen sich von den eher erzieherisch als im neugierigen Diskurs agierenden „Mainstream-Medien“ abwenden — und vielleicht vom Regen in die Traufe geraten? Homöopathen machen nicht erstmals solche Erfahrungen. Es gibt weitere Beispiele dieser Art in jüngerer Vergangenheit, und auch die ARD müsste in Sachen verlorene Zwischentöne gar nicht in die USA schielen.

Differenzieren, offene Fragen aushalten

Ja, Infektionsschutz (Details sind zu diskutieren) hat einen Sinn und ist nicht nur eine Erfindung, um Grundrechte einzuschränken. Bei freien Impfentscheidungen wiederum geht es um freie, aufgeklärte Entscheidungen mündiger Bürger, und nicht um verkappte Impf-Gegnerschaft. Sich über Homöopathie und naturgemäße Heilverfahren sachgemäß und aus erster Hand zu informieren ist nochmals etwas ganz anderes. Beim Begriff der Wissenschaften, es gibt nicht nur eine, könnten wir mit erkenntnistheoretischen und methodischen Fragestellungen beginnen. Spiritualität ist wiederum etwas ganz anderes und auch da geht die Frage voraus, was wir überhaupt darunter verstehen. Es lohnt sich sehr, ein jedes Thema, auch gesellschaftspolitische Fragen einzeln und für sich anzuschauen, anstatt alles zu vermischen. Zu enge Fokussierungen, etwa nur auf CO2, sind auch nicht hilfreich. Die Welt ist nun mal komplex und es kann Früchte bringen, diese Vielfalt in Betracht zu ziehen. Zusammenschau ist eine Fähigkeit und eine mögliche Ernte, aber nicht durch Vereinfachung aus Faulheit. Ehrenzeichen des mündigen Menschen ist nicht die Eloquenz, in der fertige Meinungen vorgetragen werden, sondern die Fähigkeit, mit offenen Fragen zu leben und aus diesen zu schöpfen.

Spiegel

Wider die Feinde der Vernunft?

Eine der heutigen Zeit eigentümliche Angst ist offenbar jene um die Vernunft, genauer gesagt um den Verstand als Anker des eigenen Kontrollvermögens. Der Möchtegern-Esoteriker bezwingt sie, indem er den Kosmos mit ein paar psychologischen oder ethnologischen Versatzstücken in vorgefertigte Formeln presst. Der Möchtegern-Wissenschaftsfreund bezwingt sie, indem er Esoteriker, Homöopathen, Heilpraktiker, Impfkritiker, Verschwörungstheoretiker und neuerdings Rechtsradikale, je nach Opportunität auch Religionen in einen gemeinsamen, großen Sack packt und schön feste drauf haut. Warum aber machen einige Medien, siehe oben, bei dieser Haue so gerne mit? Ist das eine vom Staat oder gar von einem „deep state“ gelenkte Manipulation? Gleich, wie viel „deep state“ Wirklichkeit, oder aber ebenso manipulativer Narrativ ist, sehr viel Lenkung wird an dieser Stelle nicht nötig sein. Denn da spielt, so meine ich, zusammen mit den hauseigenen, inneren Tyrannen, noch ein anderes Phänomen mit hinein:

Nämlich die Tatsache, dass es sich unter ‚zivilisierten Menschen‘ irgendwie herumgesprochen hat, dass es ziemlich uncool ist, Menschen aufgrund ihrer Abstammung oder Religion oder sexuellen Ausrichtung zu hassen. Nach Auflösung des einstigen kommunistischen Blocks und unter immer bunteren Koalitionen verlieren auch politische Feindbilder an Kraft.

Aber wir Menschen sind doch irgendwie die gleichen geblieben, meistens jedenfalls! Je sicherer das Feindbild, desto weniger kostet es, ein ‚guter Mensch‘ zu sein. Und das ‚Böse‘ außerhalb zu verorten. Und so ist es ziemlich die gleiche psychologische Dynamik, mit der einst auf Zigeuner, Schwule oder sogenannte Kommunisten draufgehauen wurde, die sich unter uns ‚Zivilisierten‘ nun gegen die vermeintlichen Feinde der Vernunft wendet.

Ein (noch) milder Hexenwahn. Für das LEBEN.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: JA, es macht einen Unterschied, ob man sich eine Ethnie, eine Veranlagung oder eine mentale Einstellung als Feindbild aussucht! Die Folgen sind jeweils ganz andere. Schiefe Vergleiche brächten uns in gänzlich unpassende Opferrollen. Am treffendsten ist vielleicht der Vergleich mit den milderen Phasen des bis in die Frühneuzeit reichenden Hexen-Wahns. Die Psychologie der Masse und der Institutionen aber, zu denen heute auch die Medien gehören, all die vielen kleinen Mikro-Faschismen oder auch was Wilhelm Reich „emotionelle Pest“ nannte, alles das ist durchaus ähnlich.

In der politisch-populistischen Arena aber finden die Zwischentöne, finden jene die Abwägen, die nicht so tun als wüssten sie alles, die nach Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit suchen und ein gutes Maß an Eigenverantwortlichkeit einbeziehen — eine Grundlage verantwortlichen politischen wie auch therapeutischen Handelns! — meistens weniger Zustimmung als solche, die „Hü“ oder „Hott“ sagen. Siehe Laschet versus Söder, oder als Berater dann Streeck versus Drosten, als milde Beispiele. Was bedeutet das für Demokratie? Für eine Kultur echter politischer Teilhabe? Vorab gilt es, tragende Werte zu stärken.

Denn diesmal müssen wir stärker sein als die Selbstläufer des Populismus! Die Lebenden rebellieren für das LEBEN, für Menschenwürde und Freiheit, für Frieden und eine Kultur mit der Natur, und laufen keiner Fahne hinterher. Demos können instrumentalisiert werden, freie Menschen nicht. Hilfreich ist, wenn Initiatoren sich ausreichend klar positionieren. Sowie anders herum, nicht nur bei „Great Barrington“: auch deren Hintergründe und sonstige Agenda zu recherchieren. Themen lassen sich weit fassen, wenn Grundwerte klar sind. Wenn verbunden wird, was verbunden ist und nicht vermischt wird, was für sich stehen sollte. Wir warten nicht, bis aus kleinen, fiesen Wellen unvermittelt ein Tsumani entsteht. Es gibt viele mögliche Aktionsformen, still und leise oder auch mit öffentlich gesetzen Zeichen.

C.