Evidenzbasierte Medizin — ein Goldstandard?
‚Evidence Based Medicine‘ (EBM), so international, wäre eher mit nachweisgestützte Medizin zu übersetzen, denn Evidenz bedeutet im Deutschen eher das Offensichtliche. Die Evidenzbasierte Medizin versucht Ergebnisse der Medizinforschung als Entscheidungshilfe für therapeutische, gesundheitspolitische und gesundheitswirtschaftliche Entscheidungen nutzbar zu machen.
Wenn ich folgend nun ein bestimmtes Vorgehen und Verständnis der Evidenzbasierten Medizin darstelle, so tue ich dies, weil sich das in der Praxis so durchgesetzt hat. Der Begründer der EBM, David Sackett, hatte ausschließlich oder vorwiegend an statistischer Evidenz orientierte medizinische Entscheidungen mit deutlichen Worten kritisiert. Siehe dazu meinen Blog-Beitrag „Heilkunst oder Kartoffelsalat“.
Etabliert hat sich eine Evidenz-Hierarchie, bedeutet eine Bewertung von klinischen, also praxisbezogenen Studien nach qualitativen Merkmalen wie auch nach dem grundlegenden methodischen Ansatz. Ganz oben rangieren derzeit noch Meta-Analysen (systematische Auswertung mehrerer) Doppelblindstudien. Doppelblindstudien werden wiederum nach der Qualität der Verblindung und der Randomisierung eingestuft. Beobachtungs- und Outcome-Studien rangieren in dieser Hierarchie derzeit weit unten, praktisch wird ihnen bislang noch wenig Bedeutung zugemessen.
Es gibt eine Reihe von Doppelblindstudien, welche die Wirksamkeit der Homöopathie belegen. So wurde 2001 – 2005 an der Universität Bern eine Doppelblindstudie zur homöopathischen Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom) bei Kindern durchgeführt. Die ADHS-Symptome wie Hyperaktivität, Impulsivität, Schüchternheit oder Ängstlichkeit nahmen während der homöopathischen Therapie um 37 bis 63 Prozent ab, das Lernverhalten bessert sich und die positive Wirkung dauert langfristig an. Die Studie und ihre Zusammenfassung finden Sie hier bei bei springer.com.
Interessant ist eine Übersichtsarbeit zu Doppelblindstudien, die der These nachgeht, ob der Placeboeffekt in der Homöopathie eine größere Rolle zukommt als in der konventionellen Medizin. Das überraschende Ergebnis ist, dass so genannte Placeboeffekte in der Homöopathie keine größere Rolle spielen als anderswo. Diese Studie finden Sie hier online.
Doppelblindstudien sind geeignet bestimmte eingegrenzte Fragen zu beantworten. Sie entsprechen dem üblichen pharmakologischen Modell. Die Möglichkeiten und Grenzen sind jedoch viel enger gesteckt, als in der Evidence Based Medicine heute oft noch angenommen wird. Folgend einige Veröffentlichungen, die den angeblichen Goldstandard der Medizinforschung kritisch diskutieren.
- Wissenschaftliche Evidenz – zeitgemäß oder Kampfbegriff?, Dellmour 2019
- Evidenz-basierte Medizin, Evidenz ohne Basis, Georg Ivanovas 2004
- Georg Ivanovas, diverse Artikel
- „Okkkultismus im Quadrat“ – wie evidenzbasiert ist die Schulmedizin?, Harald Walach, 2013
- Evidenz- oder Eminenz-basiert?, Kienle / Kiene 2005
- The double-blind, randomized, placebo-controlled trial: gold standard or golden calf?, T.J. Kaptchuk 2001
- Heilkunst oder Kartoffelsalat