Wildgemüse und Frühjahrskräuter sammeln und zubereiten
Wildkräuter-Rezepte. Den Frühling begrüßen!
Alle Kulturen dieser Erde, sagen wir mal diesseits des Polarkreises, kennen den kulinarischen Gebrauch wildwachsender Pflanzen. Wildpflanzen, Wildkräuter waren nach langen Wintern traditionell die ersten Vitaminspender, manchmal war ihre Verwendung mit Fasten- und Reinigungsriten verbunden. Die ersten Triebe und Blätter sind oft noch zart, ab der Blüte und später im Jahr werden viele Pflanzen zäh und bitter. Im Industriezeitalter vergessen, in den 70er-Jahren zunächst einmal Hippie-Domaine, haben Frühjahrskräuter und Wildkräuter überhaupt inzwischen längst Eingang in die Haute Cuisine gefunden. Doch um in den Genuss der frei wachsenden Pflanzen zu kommen, musst Du vorerst weder ein Fünf-Sterne-Restaurant noch ein Survival-Training buchen, ja nicht einmal in eine Landkommune ziehen. Hier ein paar einfache Tipps zum Sammeln und Zubereiten von Wildkräutern, auch ohne Rezeptbuch.
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Hinweise zum Sammeln
Obwohl manches fast überall wächst, ist es nicht immer einfach, geeignete Wildkräuter-Sammelplätze zu finden. NICHT in Frage kommen unmittelbare Wegränder (Abgase, Hunde …), Feldränder (Spritzgifte), gedüngte Wiesen, Obstwiesen sofern die Bäume gespritzt werden und direkte Nähe bestimmter Industrieanlagen. Auch sollten örtlich geringe Vorkommen geschont werden, geschützte Arten (wie auch die abgebildete Schlüsselblume!) ohnehin. Die meisten essbaren Kräuter werden vor der Blüte, manche bis zur Blüte gesammelt, später steigt der Gehalt an Bitterstoffen und die Fasern werden zäh.
Mengen-Angaben?
Nach Gefühl, gilt für alle folgenden Wildkräuter-Rezepte. Hättest Du keines, würdest Du Dich wahrscheinlich nicht für Wildpflanzen interessieren. Mache Dich vertraut mit den Pflanzen. Danke diesen und der Mutter Erde. Sammle, pflücke und esse in Maßen, nicht in Massen. Wildkräuter haben sehr konzentrierte Inhaltsstoffe und jeder Mensch reagiert anders.
Gesammelte Kräuter waschen – ja oder nein?
Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Du weißt selbst am besten, wo und wie Du gesammelt hast, ob die Sammlung 100% vegan ist oder da Beigetier mitkrabbelt, ob Du die Kräuter roh oder erhitzt verwenden willst, und Du für Dich selbst oder eine ganze Kindergarten-Kantine verantwortlich bist. Meine Meinung: Sorgfältig gesammelte oberirdische und nicht zu bodennahe Pflanzenteile müssen nicht immer gewaschen werden. Es sei denn, ein Platzregen ließ von unten Erde an die Blätter spritzen, diese sind von oben mit Blütenstaub von Eiben bedeckt oder Du fühlst Dich einfach wohler, wenn das Sammelgut gewaschen ist.
Wildkräutersalat-Rezepte
Besondere Freude hatte ich immer wieder an der Zubereitung von Wildkräutersalaten. Wenn Du ein paar Punkte beachtest, wird es ein echter Genuss und schmeckt nicht nur „gesund“. Wichitg: schneide die gewaschenen Wildkräuter vorab sehr sehr klein, genau so klein wie üblicherweise Petersilie oder Schnittlauch. Sonst wird die feste Blattstruktur der Wildpflanzen unangenehm beim Essen. Eine Ausnahme sind essbare Blüten, derer es viele gibt! Ausnahme ist auch die Bachbunge (Veronica becabunga), übrigens ein wunderbarer Wintersalat — siehe weiter unten. Ein Salat mit kleingeschnittenen Wildkräutern wird völlig anders als ein Kopfsalat oder ein Endivien zubereitet. Zwei grundsätzliche Varianten:
(a) Reichere einen üblichen Blattsalat (Kopfsalat, Batavia o.ä.) an, indem Du die geschnittene Kräuter in die Salatsoße mischst. Das gleiche Vorgehen ist möglich mit Wurzelsalaten, Reissalat und so weiter.
(b) Mache einen kleinen, fast schon pesto-ähnlichen, konzentrierten Salat mit etwas schwererer Soße. Kommt gut zusammen mit Flachbrot oder Baguette. Die Kräuter können auch mit weiteren Komponenten gemischt werden.
Vorschläge zu Variante (b):
– Wildkräuter-Salat-Pesto, einige Varianten – Tomaten und Mozarella (oder Tofu), Löwenzahnblätter, gutes Öl, ein Schuss Shoyu (Sojasoße), etwas Zitronensaft, obendrauf mit Gänseblümchen dekorieren.
– Löwenzahn, einige andere Wildkräuter, Öl/Zitronensaft/Salz/Shoyu, kleingeschnittene Äpfel und Radieschen.
– Andere Richtung: Bärlauch statt Löwenzahn
– Oder pikanter: mit Zwiebeln und einigen frischen Gartenkräutern mischen (Ysop, Estragon, Basilikum, Dill …)
nein, das war ein feines Frankfurter Restaurant, leider ohne alle Wildkräuter!
Wildgemüse-Zubereitung generell
Wildkräuterspinat kann mit wie ohne Rezept unter anderem aus Brennnesseln und Bärlauch zubereitet werden. Bei bitteren Kräutern empfehlen manche Bücher, das erste Kochwasser wegzuschütten. Besser ist es, die Kräuter circa zwei Stunden in lauwarmes Wasser zu legen. Eventuell mit ganz wenig Mehl leicht andicken, etwas Sahne, Butter oder Öl, Salz oder/und Gemüsebrühe-Konzentrat oder/und ein Spitzer Shoyu dazu.
Weniger bekannt: Manche jungen Blätter (wie die hier abgebildeten Ahornblätter) können auch milchsauer eingelegt werden (gleiches Prinzip wie bei Sauerkraut) und dann entweder frisch oder als vitaminhaltiger Wintervorrat verzehrt werden.
Brennnessel-Dip
Pflücke eine gute Menge Brennnessel-Spitzen. Nicht nur die obersten Spitzen, ein bis zwei voll ausgebildete Blattpaare dürfen mit dabei sein. Am besten mit dem Taschenmesser. Ist kein’s zur Hand, dann achte umso mehr darauf, keine Pflanzen zu entwurzeln. Feine Städter ziehen Handschuhe an, andere können’s ohne; fasse die Nesseln am Stängel und nicht zu zaghaft. Die Fasern sind wertvoll, aber eher für die Textilindustrie: Daher nicht zu lange Stängel, und schneide das Sammelgut in Längsrichtung recht fein. Dämpfe die fein geschnittenen Nesseln in einem Metallsieb, das Du in einen Topf mit etwas kochendem Wasser gehängt hast, bis sie mit Deckel drauf etwa halb gar sind und noch locker im Sieb liegen. Dann mische mit Joghurt (vegan: Soya-Joghurt) und einer guten Menge Kürbiskernöl und etwas Salz, ein bisschen schwarzer Pfeffer dazu, evtl. auch ein Schuss Shoyu (natürliche Soyasoße). Wer möchte, kann jetzt noch pürieren mit Pürierstab oder Mixer, das ist bei gut geschnittenen Nesseln aber nicht nötig. Schmeckt hervorragend beispielsweise zu Kartoffeln, Brot oder Getreidegerichten.
Einfacher Brennnessel-Spinat, auch mit Giersch gemischt ist natürlich genauso eine Option.
Suppen
Kleingeschnittene Kräuter in die kochende Suppe tun, gleichzeitig vom Herd nehmen. Brennnesseln und Bärlauch können auch kürzer (für kleinere Menge) oder länger (als Gemüse) mitgekocht werden. Bärlauch verliert mit dem Kochen seine Zwiebelschärfe, nicht aber das darunter liegende Knoblauch-Aroma. — Nein, Wildkräuter sind heute keine „Armenküche“ mehr!
Giersch
Gärtner, ärgere Dich nicht. Sag Danke zur üppigen Pracht und ab in die Pfanne damit. Auch in lichten Wäldern wächst jede Menge Giersch und wir müssen nicht befürchten, irgend etwas auszurotten. Erkennbar an locker dreizählig gebauten Fiederblättern mit auch nicht ganz so regelmäßig doppelt gezähnten Blatträndern, dreieickigem Querschnitt der Stiele und einem Geruch wie Gelbe Rübe mit etwas Petersilie. Verwechslungen mit Hundpetersilie oder Riesen-Bärklau sind auszuschließen, Engelwurz wäre verträglicher. Bei erstmaligem Fund also nochmal genauer nachschauen. Gibt kleingeschnitten ein hervorragendes Wildgemüse. Auch gut mit Brennnesseln zu mischen.
Beifuß (Artemisia)
Würziger Eigengeschmack. Insbesondere asiatischen Artemisia- Arten werden Heilwirkungen bei Infektionskrankheiten zugesprochen (Malaria, Covid), auch in der afrikanischen Volksmedizin sind Artemisia-Varianten weithin gebräuchlich. Unser europäischer Artemisia vulgaris ist bislang leider wenig auf Wirkungen erforscht. Hier sei nur gesagt, dass die Inhaltsstoffe durchaus unterschiedlich sind. Dem Eindruck nach dennoch eine unterschätzte Pflanze. Ideale Sammelzeit für junge Pflanzen, die man klein gehackt nicht zu lange dünstet, ist der späte Mai und Juni.
Wildkräuter-Pfannkuchen
Besonders geeignet ist dafür Schnittlauch, den man schon im Winter und im allerersten Frühjahr auf Obstwiese und an Wegrändern findet. Dunkelgrün, fast bläulich hebt er sich vom Gras ab. Ganz klein schneiden und eine gute Menge in den Pfannkuchenteig hinein. Bärlauch geht natürlich genauso.
Löwenzahn-Knospen, wenn sie gepflückt werden, solange sie noch unten in der Blattrosette sitzen, schmecken gedünstet tatsächlich fast wie Rosenkohl.
Vegane Frösche
Auch Blätterwickel genannt. Gut geeignet ist Huflattich. Bereite eine Füllung aus Reis oder Hirse mit Pilzen oder ähnlichem nach Geschmack. Einwickeln, zuheften mit Holzspan, in der Pfanne backen, fertig sind die Laubfröschlein.
(Achtung: DIESER Hüpflurch ist wahrscheinlich nicht vegan!)
Wurzeln
Löwenzahnwurzeln (und -Blätter), sowie Wurzeln von Wegwarte und Quecke wirst Du beim nächsten Garten-Umgraben nicht mehr wegwerfen, sondern einsammeln und putzen. Die in die Blattrosette übergehende Wurzelscheibe ist schwer zu säubern und darf auch kompostiert werden. Klettenwurzeln haben einen guten gesundheitlichen Wert, sind aber eine etwas mühsame Angelegenheit, da nur das Innere der Wurzeln genießbar ist. Folgende Verwendung:
(a) In Suppen oder Mischgemüse einfach mitkochen.
(b) „Tekka“: eine japanische Erfindung. Die kleingeschnittenen Wurzeln werden in einer Eisenpfanne mit etwas Öl und Miso lange geröstet bis dunkel und trocken.
(c) Gesunder Kaffee. Rezept: circa 2/3 Gerste, ein paar Kichererbsen, ein paar Eicheln, eine Hand voll Löwenzahnwurzeln, gegebenenfalls
Quecken- und Wegwartenwurzeln, eventuell etwas getrocknete Feigen. Zutaten getrennt sehr langsam rösten; Körner vorher nässen – durch den Darrprozess entwickelt sich eine gewisse Süße. Mahlen bei Bedarf. Die Arbeit lohnt sich erst bei einer größeren Menge.
Nun, Wurzel- oder Getreide-Kaffee bekommst Du auch im Bioladen. Frische Wildkräuter aber schon beim nächsten Spaziergang oder Garten umgraben!
Wildes im Winter
Für den Kenner und die Kennerin ist der Tisch zu jeder Jahreszeit gedeckt. Schlehen werden nach dem ersten Frost überhaupt erst genießbar. Geeignete Hagebuttensorten (eher die länglichen Früchte) lassen sich, frisch abgepflückt, „auszuzeln“, indem man das weiche Fruchtfleisch mit den Schneidezähnen an den Kernen vorbei zum Ansatz der Frucht führt. Gänseblümchen blühen mitunter sogar bei Frost, Vogelmiere und Gundermann dauern aus. In klaren, sauberen Gewässern steht manchmal Bachbunge knapp unter der Wasseroberfläche, im Winter fein und essbar, im Frühjahr bitter. Die wird manchmal mit der (ebenfalls, und dafür auch im Frühjahr essbaren) Brunnenkresse verwechselt. Am leichtesten findest Du, wenn nicht zu viel Schnee liegt auch im Januar und Februar, meist an Wegrändern oder auf Obstwiesen, bläulichgrün aus dem Gras hervorlugend: wilden Schnittlauch.
Nun viel Spaß damit!