Acht Gründe, warum wir Heilpraktiker brauchen

1. Biografie und Lebenserfahrung, Beruf und Berufung

Der Heilpraktiker ist typischerweise ein Zweitberuf. Die Motivation, diesen Berufsweg zu ergreifen und dafür Zeit, Geld und vor allem sehr viel persönliches Engagement zu investieren, ist selten durch Karriere- und Verdienstwünsche begründet. Meistens sind es ganz persönliche Erfahrungen, am häufigsten Eigenerfahrungen von Krankheit und Heilung, die einen schon im Berufs- oder/und Familienleben stehenden Menschen treffen und dahin bewegen, mit selbst finanzierten Ausbildungen und viel Eigenleistung nicht nur amtliche Hürden zu überwinden, sondern sich vor allem therapeutisch zu qualifizieren. Vornherein fließt so die Lebenserfahrung eines reifen Menschen in den Berufsweg mit ein.

 

2.  Heilpraktiker sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Laien-Selbstbehandlung und Hochschul-Medizin

Viele gesundheitlich interessierte Menschen helfen sich bei kleinen Beschwerden selbst. „Gesundheitliche Eigenkompetenzen“ sind gleichermaßen ein Bedürfnis wie auch eine unterschätzte Säule in einem integrierenden und nachhaltigen Gesundheitswesen. Mögliche Problemstellen der gesundheitlichen Selbsthilfe sind gleichwohl kommerzielle Angebote im Internet mit häufig falschen Versprechungen, Fehl-Einschätzung von Grenzen und die allermeisten Patienten erzählen auch ihrem Arzt nichts davon. Qualifizierte und professionell arbeitende Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker sind da ein wichtiges Bindeglied: Sie beraten im Sinne der Patientensicherheit über Sinn, Möglichkeiten und Grenzen der Selbsthilfe, sie sind Experten auf ihrem Gebiet und kennen zugleich ihre eigenen Grenzen, heißt im Bedarfsfall verweisen sie stets auf ärztlich erforderliche Maßnahmen.

Heilpraktiker helfen dabei auf Augenhöhe: Gute Ärzte tun dies auch; für die meisten Heilpraktiker ist es eine Selbstverständlichkeit: Patienten ernst zu nehmen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und Fachsprache, Titel oder Qualifikationen nicht als Mittel der Distanzierung zu nutzen.

 

3.  Heilpraktiker werden überprüft, amtlich beaufsichtigt und unterliegen der gleichen Sorgfaltspflicht wie Ärzte

Heilpraktikern ist kein staatlich definierter Ausbildungsweg vorgeschrieben, doch die gesundheitsamtliche Heilpraktiker-Überprüfung zählt zu den schärfsten Zulassungsprüfungen, die es in Deutschland gibt. Das ist gut so, denn es schützt den Heilpraktikerberuf vor medizinisch unqualifizierter und leichtsinniger Ausübung. Die Heilpraktikerprüfungen zielen vor allem darauf, dass Heilpraktiker ihre eigenen Grenzen respektieren, Hinweise auf potenziell gefährliche Erkrankungen nicht übersehen, ihre Patienten entsprechend aufklären und auf notwendige ärztliche Behandlungen verweisen, wann immer dies zum Wohle des Patienten ist. Das Risikoprofil von Heilpraktikern ist erwiesenermaßen gering. Das schlägt sich konkret in Berufshaftpflicht-Beiträgen nieder, die deutlich geringer sind als die Versicherungskosten anderer medizinischer Berufe. Neben dem Heilpraktikergesetz und gesundheitsamtlicher Aufsicht liefern Patientenrechtegesetz, Infektionsschutzgesetz, Arzneimittelgesetz, Hygienebestimmungen, Medizinproduktegesetz, Heilmittelwerbegesetz, Datenschutzgesetze, BGB und StGB und weitere gesetzliche Regelungen einen berufsrechtlich ausreichend geregelten Rahmen.

2018 in Kraft getretene neue Leitlinien vereinheitlichten die Heilpraktikerprüfungen weiter und stellten die vorhandenen Qualitätsmaßstäbe durch Praxisbezug sicher.

 

Heilpraktiker unterliegen einer direkten Aufsicht ihres zuständigen Gesundheitsamtes. Eine vorhandene Heilerlaubnis kann jederzeit begründet entzogen werden. Für die sogenannte medizinische Sorgfaltspflicht setzt die Rechtsprechung bei Heilpraktikern die gleichen Maßstäbe an wie für Ärzte. Diese tragen damit die gleiche Verantwortung, gefährliche Erkrankungen mit raschem Handlungsbedarf nicht zu übersehen. Ohne den Heilpraktikerberuf würde sich in Deutschland sofort eine breite Grauzone breitmachen, die sich zwischen – als solchen durchaus legitimen! – Tätigkeiten wie Geistheilern, Wellness-Dienstleistern und Gesundheits-Coachs ansiedelt. Gesetzesänderungen, die wie anno 1939 auf eine Über-Regulierung bis hin zur Austrocknung des Heilpraktikerberufs zielen, wären daher kontraproduktiv.
Ein echtes Risiko für Patienten sind hingegen Hybris und Fanatismus einzelner Heilberufler, gleich welchen Berufsstandes und welcher Ausrichtung, die Patienten bevormunden, Ängste streuen, sich über Gesetze erhaben fühlen und auch keine eigenen Grenzen anerkennen. Umso mehr gilt es, aktiv eine Kultur zu pflegen der Verantwortlichkeit und ethischer Sensibilität, der Selbstreflexion, der Supervision und dann auch mündiger Patienten-Entscheidungen, so dass vorhandene Ethik-Richtlinien der Berufsverbände nicht nur in den Schubladen liegen.

 

4. Heilpraktiker sind eine Chance für vorgeblich „austherapierte“ Patienten

„Austherapiert“: Im Grunde ein Unwort. Von Heilpraktikern angebotene Therapien bieten in vielen Fällen auch dann berechtigte Chancen zur Linderung oder sogar Heilung, wenn die üblichen ärztlichen Maßnahmen an ein Ende gekommen sind. Von Kindern abgesehen, kommen die meisten Patienten ja überhaupt erst dann zum Heilpraktiker, wenn die konventionelle Medizin nicht heilen oder selbst Symptome nur zum Preis erheblicher Nebenwirkungen lindern kann. Auch die Erfolgsaussichten alternativer oder komplementärer Methoden hängen von vielen Faktoren ab. So können zwar Prognosen als Erfahrungswerte, aber keine Heilungsversprechen abgegeben werden. Und selbstverständlich müssen auch Heilpraktiker ihre Patienten – aus ethischen wie auch rechtlichen Gründen – darüber aufklären, wenn andere Maßnahmen erforderlich sind, wenn die Weiterführung einer bestimmten Therapie nicht mehr sinnvoll scheint oder wenn nur noch palliative Hilfe möglich ist.

Vor allem bei schweren Erkrankungen kann ein Zusammenspiel von konventionellen Ärzten und qualifizierten „alternativen“ Therapeuten für den Patienten wichtig sein. Beides steht längst nicht so ideologisch gegeneinander, wie reißerische Medienberichte glauben machen.

 

5.  Heilpraktiker nehmen sich Zeit für ihre Patienten und unterliegen nicht allen Zwängen unseres Gesundheitssystems

Nicht selten erkennen Heilpraktiker Erkrankungen, die bei ärztlichen Untersuchungen übersehen wurden: Nicht etwa, weil den betreffenden Ärzten medizinische Kenntnisse fehlen würde, sondern weil in der systembedingten ärztlichen Routine oft die Zeit fehlt, Hinweisen des Patienten nachzugehen und man sich zu sehr auf eine technische Untersuchungsroutine mit Labordiagnostik, Röntgen, CT und so weiter verlässt. Zeit und Zuhören ist weit mehr als "Seele streicheln". Sie gewährleistet auch objektiv mehr Patientensicherheit.
Für eine qualifizierte Ausübung der Homöopathie gehört ein hinreichender zeitlicher Rahmen zu den methodisch unerlässlichen Voraussetzungen. Darüber hinaus ermöglicht die dem Patienten gegebene ungeteilte Aufmerksamkeit, im Gespräch zu Einsichten und Lösungen zu gelangen, die der eigenen Gesundheitsförderung dienen. Krankheiten sind nicht selten mit Lebenskrisen verknüpft oder weisen auf mögliche Lebensänderungen. Heilpraktiker unterliegen nicht dem Entweder-Oder einer Körper- oder Psychotherapie. Durch ihre persönliche Begleitung helfen sie den Patienten, ihren eigenen Weg zur Gesundheit zu finden.

 

6. Heilpraktiker arbeiten integral und leben individualisierte Medizin

Die ärztliche Homöopathie bewegt sich heute zunehmend in die Richtung einer sogenannten Integrativmedizin, die „konventionelle“ und „komplementäre“ Verfahren unter einem Hut zusammenbringen möchte. Maßgeblich sind dabei ärztliche Anwendung sowie die Kriterien der „evidenzbasierten Medizin“. So sinnvoll das Miteinander und die Ergänzung von schulmedizinischen und homöopathischen Behandlungsmaßnahmen im Allgemeinen ist, so droht eine „integrativmedizinische Homöopathie“ in die Mühle von Systemzwängen zu geraten, die gute homöopathische Behandlungen als qualifizierte Individualtherapie verunmöglichen. Wir sind sehr für integrierendes Denken und Handeln! Doch wenn die Homöopathie, anstatt ihr einen eigenen Raum zu geben, in Systeme hinein integriert wird, die ihr keine Luft zum Atmen lassen, bleibt nur noch ein dürres Schattenbild von ihr übrig.

Heilpraktiker arbeiten integral, aber nicht als integraler Bestandteil des Gesundheitssystems. Der Preis hierfür ist, dass gesetzliche Krankenkassen keine reguläre Erstattung leisten, dass die Patienten – mit teilweiser Ausnahme für privat versicherte Patienten – für ihre Behandlung selbst aufkommen und dass Heilpraktiker, die sich Zeit für ihre Patienten nehmen, kein allzu hohes Einkommen erzielen können. So berechtigt der Wunsch nach Anerkennung und wirtschaftlicher Gerechtigkeit auch ist: Die Integration der Homöopathie in ein System, das von einer Diktatur betriebswirtschaftlicher Mechanismen bestimmt ist, das Sinn und Nutzen von Behandlungen alleine statistisch und ohne Berücksichtigung individueller Gegebenheiten bemisst, kann ihr nur schaden.

 

Wann immer jedoch mit „Integrativmedizin“ das sinnvolle und respektvoll-konstruktive Miteinander aller Akteure im Gesundheitswesen gemeint ist, inklusive Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker, bin ich der größte Freund der Integrativmedizin! Es gibt also kein einfaches Pro oder Contra. Doch wir beobachten, mit welchen therapeutischen oder oft auch politischen Absichten Begriffe verwendet und entwendet werden. Werden wir, Anerkennung heischend, schleichend vereinnahmt? Oder denken, fühlen und handeln wir tatsächlich integrativ, mithin als ganze Menschen.
Bei alledem verstehen wir uns NICHT als medizinische „Außenseiter“. Die sogenannte Außen- oder Innenseite ist alleine eine Frage des persönlichen Standpunkts, den ein jeder für sich selbst zu finden hat. Mitten im Leben stehen wir und Manches, was heute modernster medizinischer Standard ist, wird in 100 Jahren vielleicht seltsamer erscheinen als die Homöopathie, die sich seit 200 Jahren in ihren Grundprinzipien treu bleiben konnte.

 

7. Heilpraktiker-Homöopathen leben die Homöopathie

Ein Medizinstudium ist lange und aufwändig, umso mehr, seit auch Allgemeinärzte einen Facharzt-Titel brauchen. Der weitere ärztliche Berufsweg lässt heute immer geringere Spielräume für anspruchsvolle Fortbildungen jenseits des zum Titelerhalt Geforderten. Es ist bewundernswert, dass sich manche Medizinstudenten dennoch auf eine homöopathische Weiterbildung einlassen. Die Zahl dieser Homöopathie studierenden Ärzte ist aufgrund der Umfeldbedingungen jedoch massiv zurückgegangen. Eine Einschränkung der Homöopathie auf ärztliche Ausübung könnte deren Ende bedeuten.

Wer die Homöopathie umfassend studieren will, so wie dies den Anforderungen qualifizierter Praxis und leitender Fachorganisationen entspricht, muss sich nochmals auf einen großen Lernaufwand, auf ein mehrjähriges Studium und auf ständige Weiterbildung einstellen. Heilpraktiker haben die Möglichkeit, sich vergleichsweise frühzeitig, gründlich und tiefgehend mit der Homöopathie zu befassen. Das erleichtert das Umdenken gegenüber naturwissenschaftlich geprägten Anschauungsweisen (was nicht bedeutet, die Naturwissenschaften zu negieren) sowie die Herausbildung von Therapeuten-Persönlichkeiten, die nicht nur gelernt haben, ihre Patienten als geistlich-seelisch-leibliche Ganzheit zu betrachten, sondern sich auch selbst als ganze Menschen fortentwickeln.

 

8. Heilpraktiker brachten und bringen die Homöopathie voran

Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, war Arzt; sein wichtigster Schüler Clemens von Bönninghausen durfte als Nicht-Arzt mit königlicher Sondererlaubnis praktizieren und hatte damit einen dem Heilpraktiker-Beruf ähnlichen Rechtsstatus. Der Arzttitel von Georg H. G. Jahr, als dritter wichtiger Gründungspersönlichkeit der Homöopathie, wurde wegen einer erzwungenen Studien-Unterbrechung nicht allgemein anerkannt, so dass er ebenso gut als Arzt wie als nichtärztlicher Therapeut gelten kann.
Die wichtigsten Anstöße und Entwicklungen, die die Homöopathie in Deutschland in den letzten 15 Jahren fachlich voranbrachten, gingen von Heilpraktikern aus. Bei der Rückbesinnung auf die Methodik der genuinen Homöopathie der Gründungszeit waren Heilpraktiker führend. Gleiches gilt für das Wiederentdecken und Weiterführen der Methodik und Werkzeuge C. M. Bogers. Derweil ist eine kollegiale und oft auch freundschaftliche Zusammenarbeit homöopathischer Heilpraktiker und Ärzte in vielen Homöopathie-Arbeitskreisen zur Selbstverständlichkeit geworden. Einen hohen fachlichen Standard hat die Homöopathie nicht von ungefähr in denjenigen Ländern und Sprachräumen, in denen Homöopathen mit wie ohne akademisches Medizinstudium praktizieren dürfen. Heilpraktiker haben in der Homöopathie in Deutschland auch bei der Qualitätssicherung und Qualitätsförderung eine Vorreiter-Rolle, maßgeblich ist hierbei insbesondere die Stiftung Homöopathie-Zertifikat SHZ.

 

Fazit

Für unser Gesundheitswesen sind Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker eine große Bereicherung. Das Risikoprofil ist nachweislich niedrig und Heilpraktiker arbeiten keinesfalls in einem gesetzlichen Vakuum. Für Patienten sind Heilpraktiker eine Ergänzung, die durch Einseitigkeiten einer naturwissenschaftlich bestimmten und betriebswirtschaftlich verwalteten Gesundheitswirtschaft unerlässlich wurde. Gerade die Homöopathie braucht Therapeuten-Persönlichkeiten, die sich die homöopathische Heilkunst über viele Jahre mit Disziplin und Hingabe erarbeitet haben und mit hoher fachlicher Qualität anwenden.

C.C., Karlsruhe 2016 / 2019